Beim einen Bäcker gabs keine Sesambrötchen mehr. Beim anderen kein Roggen. Trotzdem war die Welt noch in Ordnung, bis ich den Hausflur wieder betreten habe. „Schäuble warnt vor Atom-Anschlag“ titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung des Nachbarn.
Ich habe der Versuchung widerstanden, meinem Nachbarn seine Frühstückslektüre zu klauen, aber die Schlagzeile und die ersten Sätze haben mir schon wieder gereicht. Paranoia hin, berechtigte Befürchtungen her, aber von Schäuble hätte ich vor ein paar Jahren noch ein anderes Format erwartet. Mit den immer neuen Horrorszenarien, mit denen er seine Visionen vom Überwachungsstaat rechtfertigen will, spielt er den Terroristen in die Hände.
Terror bedeutet Furcht, und nur davon lebt er. Terroristen wählen den Weg des Terrors, weil sie uns zahlenmäßig und militärisch bei weitem nicht gewachsen sind, selbst unserer Zivilbevölkerung nicht. Die Macht, die sie dagegenstellen, heißt Angst, schon seit die Assassini des „Alten vom Berge“ Hassan-i-Sabah ihr Unwesen trieben. Die Angst, dass es ausgerechnet mich treffen könnte und nicht meinen Nachbarn. Die Angst vor einem Gegner, der den eigenen Tod nicht fürchtet und sich damit unseren Mechanismen entzieht. Es ist diese Angst und nicht der wirklich angerichtete Schaden, durch die der Terror wirkt. Ein Terroranschlag, über den nicht gesprochen, berichtet und debattiert wird, ist wertlos.
Nicht nur das: Terror ist Zermürbung. Die Reaktion ist einkalkuliert. Terror treibt Regierungen dazu, weiter in Richtung Repression zu tendieren und sich gegen ihre eigenen Bürger zu wenden. Erst diese Spannung, das Auseinanderdriften von paranoidem Staat und unter Generalverdacht gestellten Bürgern, macht die Gefahr für die innere Sicherheit aus.
Um so mehr muss ich mich über Innenpolitiker und Journalisten wundern, die Hand in Hand nicht nur diesen Sonntag Angst und Schrecken verbreiten. Ich will weiß Gott nicht dafür plädieren, Gefahren totzuschweigen, aber existenzielle Ängste von Wählern und Büergern zustimmungsheischend und auflagensteigernd einzuspannen halte ich für unverantwortlich.
Wurde schon tausendmal gesagt, war aber wieder nötig. Einen schönen, ruhigen, sonnigen Sonntag wünsche ich noch!